Ein Kommentar von Andi Bachmann-Roth, Co-Generalsekretär SEA

Ich bin immer noch sprachlos und wütend über den Terrorangriff vom 7. Oktober. Terroristen der Hamas haben an einem ruhigen Samstagmorgen Israel überfallen, um wahllos zu morden und zu vergewaltigen. Sie verschleppten über 220 Kinder und Erwachsene in den Gazastreifen. Genauso beschäftigen mich die Folgeereignisse: der Krieg im Gazastreifen mit Hunderten von verletzten und toten Palästinensern und der wachsende Antisemitismus. Dieser äussert sich immer offener auch in Europa und der Schweiz. Wir müssen uns dieser Entwicklung mit aller Kraft entgegenstellen. Christinnen und Christen sind aber nicht einfach eine weitere gesellschaftliche Stimme, sondern bringen im Wesentlichen eine geistliche Dimension ein: Auch jetzt steht über allem Gott. Inmitten des Leids verwirklicht sich jedoch nicht sein Wille. Vielmehr hat sich Gott in Jesus Christus dem Hass und Unheil entgegengestellt. Im Kreuz liegt die entscheidende Antwort auch für diesen grausamen Konflikt.

 

Spirituelle Dimension

Dieser Tage wurde bekannt, dass die Friedensaktivistin Viviane Silver unter den Opfern vom 7. Oktober ist. Ich kann nur erahnen, wie tief die Wunden gehen, welche dieser Konflikt in Menschen hinterlässt. Bei Juden wie auch bei Palästinensern. Die Unversöhnlichkeit ist schon lange von der individuellen Ebene ins Kollektive übergegangen. Der versöhnliche Dialog ist verstummt und nun sprechen die Waffen. Der Hass auf Israel scheint sich gar zum eigentlichen Identifikationsmerkmal der Palästinenser entwickelt zu haben. Das Tragische an diesem identitätsstiftenden Hass ist, dass darüber hinaus gar nichts übrigbleibt, um für das eigene Volk eine positive Zukunftsvision zu entwickeln und zu gestalten. Aus menschlicher Perspektive müssen wir zur Kenntnis nehmen, dass kaum vorstellbar ist, wie sich in dieser Situation gutes Leben entfalten soll.

 

Natürlich ist es auch wichtig, über die Frage zu diskutieren, welche Mittel im Kampf gegen Terrorismus ethisch vertretbar sind. Mich beschäftigt aber darüber hinaus die Frage: Können diese Wunden überhaupt einmal wieder heilen? Kann es im Nahen Osten je Frieden und Versöhnung geben? Die Kommentatoren sind dazu sehr pessimistisch geworden. Und ehrlich gesagt: Ich bin es manchmal auch.

«Aus menschlicher Perspektive müssen wir zur Kenntnis nehmen, dass kaum vorstellbar ist, wie sich in dieser Situation gutes Leben entfalten soll.»

 

Doch zum Glück habe ich Menschen um mich, die mir helfen, meinen Blick immer wieder auf Jesus Christus zu richten. Denn weder das Militär noch die Politik oder Aktivisten werden diesen Konflikt wirklich lösen können. Die Ursache dafür liegt nicht auf dieser Ebene, sondern in den wütenden, verletzten und hasserfüllten Herzen der Menschen. Und die Veränderung und Heilung von Herzen ist Gottes Spezialgebiet. Ermöglicht hat er dies durch seine Selbsthingabe am Kreuz. Dort errang Christus den Sieg über alle lebenszerstörenden und selbstsüchtigen Kräfte. Vielleicht wird uns hier neu bewusst, warum Christen von der frohen Botschaft sprechen: Wir sind mit dem Bösen in uns nicht allein. Es gibt Hilfe und Hoffnung auf Veränderung. Im Allianz-Netzwerk sind wir mit mehreren Menschen aus dem Nahen Osten verbunden, die für diese Transformation stehen. Ehemalige Terroristen sind Christus begegnet. Ihr Hass ist der Liebe gewichen. Einer davon berichtet in einem Gespräch über seine Erfahrungen.

 

Wenn alle Hoffnung schwindet, kann das Licht von Jesus Christus umso heller leuchten. Darum will ich von dieser Hoffnung berichten: Für Christus gibt es keine hoffnungslosen Situationen. Für ihn ist Frieden im Nahen Osten nichts Aussichtsloses. Allein er kann die verwundeten Herzen heilen und den Hass durch Liebe ersetzen.

«Die Ursache des Konflikts liegt in den wütenden, verletzten und hasserfüllten Herzen der Menschen. Und die Veränderung und Heilung von Herzen ist Gottes Spezialgebiet.»

 

Handlungsaufruf #1

Deshalb rufen wir, die Schweizerische Evangelische Allianz SEA, auch immer wieder zu Gebet auf. Nicht als Tat der Verzweiflung, sondern der Hoffnung. Im Gebet gibt uns Gott das Privileg, an der Transformation von Menschenherzen mitzuwirken. Gemeinsam mit der Evangelischen Allianz Deutschland planen wir zurzeit öffentliche Gebetsaktionen. Weiter Informationen dazu folgen bald.

Kein Platz für Antisemitismus in der Schweiz

Obwohl Israel den schlimmsten Terroranschlag seiner Geschichte erleben musste, sind nun Juden auch hierzulande zunehmend Opfer von Antisemitismus. Insbesondere weil der Kampf Israels gegen die Hamas zu viel Zerstörung und unschuldigen Opfern führt. Dieser wachsende Hass macht uns als SEA sehr betroffen.

 

Die Pro-Palästina-Demonstrationen in ganz Europa machen mir Sorgen, weil dabei teilweise auch ein überwunden geglaubter Hass gegen Juden zum Ausdruck kommt. Zudem wird eine Stimmung kultiviert, die es kaum mehr möglich macht, sich in der Öffentlichkeit als Jude zu erkennen zu geben. Niemand sollte sich fürchten müssen, weil er oder sie eine Kippa, einen Davidstern oder eine Israel-Flagge trägt.

 

In einem solchen Konflikt dominieren schnell Feindbilder. Israel wird zum Apartheitsstaat erklärt, dem Genozid vorgeworfen wird. Muslime werden pauschal zu Terrorverdächtigen. Gewalt beginnt mit Entmenschlichung des Andern. Darum müssen wir gerade jetzt daran erinnern und dafür einstehen, dass wir alle Abbilder Gottes sind- Juden wie Muslime. Gleicherlei von Gott geschaffene und geliebte Menschen. Wir Christen sollten eine Rhetorik nutzen, die dieser zentralen christlichen Tatsache Rechnung trägt.

«Niemand sollte sich fürchten müssen, weil er oder sie eine Kippa, einen Davidstern oder eine Israel-Flagge trägt.»

 

Handlungsaufruf #2

Vielleicht ist für Sie nicht die Zeit für laute politische Stellungnahmen und Äusserungen. In diesem Fall können Sie unseren jüdischen Mitbürgerinnen und Mitbürgern leise Zeichen des Mitgefühls zukommen zu lassen. Das könnte bedeuten, als Kirche oder als Einzelperson der lokalen jüdischen Gemeinschaft einen einfühlsamen Brief oder ein nettes Paket zukommen zu lassen. Natürlich sollen muslimische Mitbürger von unserem Mitgefühl nicht ausgeschlossen werden. Möge Gottes Geist Sie leiten, ob und wem Sie ein Zeichen zukommen lassen wollen.