Hauptreferent René Hefti, SEA-Co-Generalsekretär Andi Bachmann-Roth, Josua Schöchli und Matthias Egg (beide DenkBar, v.l.) vertieften die Erkenntnisse im Dialog mit dem Publikum.
Macht Glaube glücklich? Was meint Glück? Verspricht die Bibel dem Christen überhaupt Glück? Fragen über Fragen, zu denen die DenkBar, eine Arbeitsgemeinschaft der Schweizerischen Evangelischen Allianz SEA, Fachpersonen aus unterschiedlichen Disziplinen miteinander ins Gespräch brachte. Dies öffnete ein Fenster in ein noch relativ wenig erforschtes Gebiet und in komplexe Zusammenhänge.
René Hefti, ehemaliger Chefarzt der Klinik SGM in Langenthal, kann durchaus als Schweizer Pionier auf dem als «Spiritual Care» bekannten Forschungsgebiet bezeichnet werden. Er setzt sich mit dem Forschungsinstitut für Spiritualität und Gesundheit (FISG) dafür ein, dass die spirituelle Dimension im Gesundheitswesen stärker berücksichtigt wird. Denn – dies zeigen diverse Studien aus aller Welt unter Einbezug verschiedener Religionen – Glauben hängt mit dem Wohlbefinden von Menschen zusammen.
So zitierte Hefti aus einer US-Studie, wonach das religiöse und spirituelle Leben für 62 Prozent der Befragten ein Faktor für ihr Glücksempfinden ist. Auf die Frage, was sie tun, um ihre Stimmung zu heben, nannten die Studienteilnehmer am dritthäufigsten Gebet und Meditation. Andere Studien differenzieren zwischen intrinsischer und extrinsischer religiöser Orientierung oder zwischen privater und organisierter Religiosität. Ein Zusammenhang mit Glück liess sich nur bei intrinsischer und privater Religiosität nachweisen. Mit anderen Worten: Nur wer aus eigenem Antrieb sein Glaubensleben sowie eine persönliche Gottesbeziehung pflegt, tut etwas für sein Glück.
Besonders engagiert diskutiert wurde über Einflussfaktoren, die bei der Verbindung von Glauben und Glück mitspielen. So könnte der eigene Anspruch, als gläubige Person glücklich sein zu müssen, die Selbsteinschätzung des Glücks beeinflussen. Glaube kann beispielsweise über die daraus resultierende soziale Integration oder das Wissen um Zugehörigkeit bzw. Beheimatung zu mehr Glück führen. Und Glücksgefühle sind durch ein komplexes System von Faktoren, auch biologische, bedingt. Auch die Fachleute in der Runde konnten keine abschliessenden Antworten geben, aber bestätigen, dass die Zusammenhänge komplex sind und vermutlich auch wechselseitige Interaktionen im Spiel sind. «Es gibt keine Kausalitätsbeweise, dass also Glauben zu Glück führt, aber viele Studien, die einen deutlichen Zusammenhang zeigen», sagte René Hefti und stellte zugleich infrage, ob in diesem Kontext die Kausalität so entscheidend sei.
Das Paradox des Glaubensglücks
Das Glücksempfinden wird in wissenschaftlichen Studien meist mit subjektiven Einschätzungen auf einer Skala erhoben. Als Überbegriff hat sich in der Wissenschaft «well-being» etabliert; er steht für eine Vielfalt von Begriffen wie Zufriedenheit, Erfüllung oder Sinn. Unterschieden wird zwischen einem momentanen Zufallsglück («Glück haben») und anhaltendem Lebensglück («glücklich sein»).
Ein Blick in die Bibel lässt diesen Unterschied ebenfalls erkennen: Micha Eglin, Arzt und wissenschaftlicher Mitarbeiter am FISG, legte anhand von Versen aus den Psalmen und der Bergpredigt dar, dass der Glücksbegriff in der Bibel häufig nicht als momentaner Zustand, sondern als Verheissung und langfristige Perspektive benutzt wird. Und dies vielfach im Kontext schwieriger Umstände wie Verfolgung oder Hunger. Dies führte zur Feststellung, dass Glück kein Versprechen des christlichen Glaubens für die gegenwärtige Lebensrealität ist, sondern ein Versprechen am Ende der Zeit. Und dies kann das Paradox erklären, weshalb Christinnen und Christen sogar in schlimmster Verfolgung und Erniedrigung, ja sogar im Martyrium glücklich sein können.
Die Referate von René Hefti und Micha Eglin können auf Youtube nachgeschaut werden:
Die DenkBar ist eine Arbeitsgemeinschaft der Schweizerischen Evangelischen Allianz, die den fruchtbaren Dialog zwischen Glauben und Wissenschaft sowie die denkerische Freiheit («alle Fragen sind erlaubt») fördert. Sie lädt immer wieder zu Veranstaltungen über gesellschaftlich relevante Themen ein und schafft damit Raum für den interdisziplinären Austausch an der Schnittstelle von Glauben und Denken.