Sich gemeinsam auf Gott ausrichten und auf sein Wort hören. Sich inspirieren lassen von Impulsen aus Europa und der Spurgruppe von «Zukunft Mission». In verschiedenen Themenfeldern gemeinsam weiterdenken: So machten sich am Leiterinnen- und Leiterforum 2023 der Schweizerischen Evangelischen Allianz SEA und des Dachverbands Freikirchen.ch rund 100 Leitungspersonen aus Kirchen und Werken «gemeinsam fit für Mission» («together fit for mission»). Die Sehnsucht nach einem stärkeren Miteinander und gegenseitiger Ergänzung in der einen Mission Gottes war deutlich spürbar.

 

Sie standen Rücken an Rücken und sagten einander, was sie sehen. Naheliegenderweise sahen sie nicht dasselbe, schauten sie doch in entgegengesetzte Richtungen. Mit dieser einfachen Veranschaulichung betonten Usha Reifsnider und Jim Memory, die beiden Regionaldirektoren der Lausanner Bewegung in Europa, welchen Unterschied Zusammenarbeit macht: Der eine sieht, was die andere nicht sieht – und umgekehrt. Dazu kommt, dass die Mission Gottes – ganzheitlich verstanden – viel zu gross ist für einzelne Akteure. Kirchen, Missions- und Entwicklungsorganisationen, Sozialwerke und theologische Ausbildungsstätten brauchen einander, weil sie unterschiedliche Schwerpunkte in der Erfüllung des gemeinsamen Missionsauftrags haben.

 

Es gibt nur eine Sendung

Im Prozess von «Zukunft Mission», der bereits am letztjährigen Leiterforum im Zentrum stand, haben sich seither zahlreiche Leitungspersonen aus all diesen Bereichen auf einen gemeinsamen geistlichen und strategischen Weg begeben. Dieser hat sie zu den «Five Marks of Mission» geführt. Das aus der anglikanischen Kirche stammende Konzept definiert fünf Merkmale ganzheitlicher Mission:

 

  • Verkündigung: Das Evangelium von Jesus Christus und seinem Reich kommunizieren (Evangelisation)
  • Befähigung: Menschen lehren und ausrüsten, Jesus individuell und gemeinschaftlich nachzufolgen (Jüngerschaft und Gemeindebau)
  • Barmherzigkeit: Menschlichen Nöten – physische, seelische und geistliche – mit liebevollem Dienst begegnen (Diakonie)
  • Gerechtigkeit: Werte und Strukturen beeinflussen, damit Versöhnung und Wiederherstellung geschehen kann (Gesellschaftliche Transformation)
  • Pflege der Schöpfung: Sich für die Bewahrung und Gesundung der Umwelt einsetzen (Schöpfungsverantwortung)

 

Thomas Eggenberg, der Leiter des Kirchenverbands BewegungPlus und Mitglied der Spurgruppe von «Zukunft Mission», erklärte, dass diese fünf Merkmale zusammenhängen und nicht gegeneinander ausgespielt werden dürfen. Es gebe nur eine Mission, die sich in unterschiedlichen Kontexten abspiele. So sei man auch zur Einsicht gelangt, dass die Trennung zwischen Ausland (Mission) und Inland (Gemeindebau) zu überwinden sei. «Als Freikirchen müssen wir uns für das grosse Bild von Mission öffnen, wovon wir ein Teil sind.» Auch verschiedene kurze Wortmeldungen aus der Runde zeugten von einer Aufbruchstimmung. Da war von einer neuen Offenheit die Rede, aufeinander zuzugehen, ebenso wie von einer Überwindung der üblichen Schubladisierung. Und die Bedeutung von Beziehungen und Einheit wurde betont – als Schlüssel dafür, dass die Welt Gott und seine Liebe erkennt (nach Johannes 17,21 ff.).

 

«Die Leitertagung hat mir wiederum gezeigt, wie wichtig Beziehungen und eine gute Vernetzung sind, um den Missionsauftrag von Jesus fruchtbar gestalten zu können. Aber selbst das genügt nicht, wir brauchen ganz besonders das Wirken des Heiligen Geistes und dazu sollen wir offen sein. Dann geschehen manchmal unkonventionelle Dinge, aber Gott baut sein Reich mit uns, wie Jesus das vom Vater erbeten hat in Johannes 17.»

 

Walter Schwertfeger, Präsident Missionskommission, Schweizerische Pfingstmission

 

Nicht ohne die Migrationskirchen

Usha Reifsnider und Jim Memory warfen einen analytischen Blick auf die aktuelle Lage in Europa. Es gelte demütig anzuerkennen, dass Europa das neue ‹Ende der Welt› sei, und gleichzeitig darauf zu vertrauen, was Gott auch hier tun kann. Sie riefen dazu auf, zu überlegen, was das Evangelium in Zeiten von zunehmendem Nationalismus, wirtschaftlicher Unsicherheit, Migration, Klimakrise und Falschinformationen zu sagen hat. «Wir sehen in den Ländern die Tendenz, die eigene Identität in Abgrenzung zu anderen zu definieren, wobei das andere zunehmend die Migrationsbevölkerung ist. Das Evangelium sagt uns aber, dass wir unsere Identität in Christus haben und mit Fremden wie mit Einheimischen umgehen sollen. Dazu müssen wir vermehrt auch die Migrationskirchen miteinbeziehen.» Als Augenöffner diente ein Blick in die versammelte Runde, in der die interkulturelle Christenheit der Schweiz untervertreten war.

 

Die beiden Repräsentanten von «Lausanne Europe» wurden noch deutlicher. So sagte Usha Reifsnider: «Statt zu denken, dass sie uns alles wegnehmen, sollten wir uns fragen, was Menschen mit Migrationshintergrund uns geben.» Und Jim Memory ergänzte: «Seid euch bewusst, was Gott durch Migranten in der Schweiz tut. Jeder christliche Migrant ist ein potenzieller Missionar.»

 

«Die Aussage von Jim Memory ‹Jeder christliche Migrant in Europa ist ein potenzieller Missionar› hat mich nicht mehr losgelassen. Bisher war meine Haltung eher darauf ausgerichtet, den Migranten etwas zu geben, ohne zu erkennen, dass sie einen reichen Erfahrungsschatz mitbringen, von dem ich noch viel lernen kann. Dafür müssen wir ihnen aber eine Stimme geben und ihnen zuhören!»

 

Stefanie Reusser, Schulleiterin und Co-Geschäftsleiterin ICP, Höhere Fachschule für Sozialpädagogik

 

Wege finden im neuen Miteinander

Um das neue Miteinander konkret einzuüben, trafen sich die Leitenden zum Abschluss in Themengruppen und besprachen Fragen wie: Wie muss das Evangelium von Jesus Christus heute kommuniziert werden, damit es verstanden wird? Wie können christliche Gemeinschaften und Organisationen in lokalen Ökosystemen vor Ort noch besser zusammenarbeiten? Wie können wir Minderheiten und unscheinbaren Menschen in unserer Gesellschaft eine Stimme geben?

 

In diesen Bereichen soll nun weiter an der gemeinsamen missionalen Fitness gearbeitet werden, wie Andi Bachmann-Roth, Co-Generalsekretär der SEA und ebenfalls Teil der Spurgruppe, erklärte. «Wir sind dankbar, dass bereits auf vielen Ebenen etablierte Netzwerke bestehen, die mit ihren Stärken einen Beitrag zu einer ganzheitlichen Mission leisten. Brachliegende Themen können neu dazu genommen werden. Dabei gibt es keine zentrale Koordination. Verschiedene Akteure sollen Initiative ergreifen, damit lebendige Ökosysteme des Evangeliums entstehen können.»

 

In diesem Sinn werden zum Beispiel auf theologischer Ebene die Ausbildungsinstitutionen und Missionsorganisationen die Auseinandersetzung mit dem Missionsbegriff vertiefen. Die Schweizerische Evangelische Allianz lanciert ein Entwicklungsprogramm für lokale Ökosysteme (Allianzsektionen), «Learning Communities» und Reisen sind geplant und verschiedene Vorstände wollen sich vermehrt zum Gebet und Hören treffen. Die Spurgruppe von «Zukunft Mission» besteht weiter und versteht sich als Katalysator dieses Miteinanders. Sie nimmt Impulse aus den verschiedenen Bereichen auf und dient dem Ökosystem des Evangeliums in der Deutschschweiz mit Klärung, Motivation und Inspiration.