Kriege, Flucht und Vertreibung gehen mit einem Mangel an Lebensmitteln, ärztlicher Versorgung, Trinkwasser und Energie einher. Zur Wiederherstellung eines Landes bzw. einer Region muss insbesondere der ökonomische Aspekt bedacht werden. Was dies bewirken kann, lässt sich am Beispiel Tirols eindrücklich zeigen.

 

Es gibt viele ermutigende Beispiele aus der Geschichte des letzten Jahrhunderts, in dem durch die beiden Weltkriege gerade in Europa etliche Landstriche vermeintlich hoffnungslos zerstört wurden. Das schon vor dem 2. Weltkrieg an der Universität Freiburg im Breisgau unter anderen von Walter Eucken, Franz Böhm und Leonhard Miksch entwickelte Konzept der sozialen Marktwirtschaft kam nach Kriegsende als christlich-motiviertes wirtschaftliches Alternativmodell zwischen Kommunismus und Kapitalismus zum Tragen. Ein noch zu Ende der 40er-Jahre unvorstellbarer wirtschaftlicher Aufschwung hat Wohlstand für viele mit sich gebracht und die wirtschaftlichen und sozialen Strukturen etlicher Länder wie Deutschland und Österreich nachhaltig verändert.

 

Am Beispiel Tirols lässt sich die wirtschaftliche Lage zunächst als fast hoffnungslos darstellen: Massive Versorgungsprobleme, Mangelernährung und Wohnungsnot, verschärft durch die Anwesenheit von mehr als 100‘000 Flüchtlingen, sowie Beschlagnahmungen durch die Besatzungsmächte bestimmten den Alltag. Der fast völlige Zusammenbruch aller Verkehrs- und Kommunikationswege erschwerte den Wiederaufbau, für den überall Arbeitskräfte fehlten. Die Tiroler Landwirtschaft war gekennzeichnet durch kleinste bäuerliche Betriebe, schlechte Infrastruktur, einen äusserst geringen Mechanisierungsgrad und drückende Armut eines Grossteils der bäuerlichen Bevölkerung.

 

Zentrale Bedeutung kleiner und mittlerer Unternehmen

Doch sowohl Hilfsmassnahmen des Marshallplans als auch die Gründung zahlreicher familiengeführter KMUs liessen die Anzahl der in der Industrie Beschäftigten nach 1946 rasch ansteigen. Neue Industriezonen entstanden und Betriebe unterschiedlicher Branchen expandierten. Etliche später führende Tiroler Unternehmen wurden in den ersten Nachkriegsjahren gegründet, so zum Beispiel die Röhren- und Metallwerke in Hall (1947), Riedel-Glas in Kufstein (1956) oder die Biochemie Kundl (1948, heute Sandoz).

 

Die Dominanz mittlerer und kleinerer Industriebetriebe bedeutete ausserdem, dass Konflikte zwischen Arbeit und Kapital die Ausnahme blieben und die sozialistische Arbeiterbewegung kaum Fuss fassen konnte. Gerade die Bedeutung von KMUs für die wirtschaftliche Wiederherstellung eines Landes kann auch laut Dr. Peter Heslam von der Universität Cambridge kaum überschätzt werden. Heslam sagt: «KMUs sind die weltweit führenden Erschaffer von neuen Arbeitsplätzen, Wohlstand und Chancen, indem sie in vielen sich entwickelnden und wachsenden Volkswirtschaften wesentliche Beiträge zum Bruttoinlandsprodukt leisten.»[1]

 

Wirtschaftliche Wiederherstellung beginnt mit Personen, die ungeachtet widrigster Umstände eine Hoffnung in sich tragen, dass die Ebenbildlichkeit Gottes und seine Schöpferkraft weiterhin gültig sind. Sie können in der Anwendung von Innovation, Urteilsvermögen und Risikobereitschaft zum Wohle der Menschen einer Region wirken.

 

Autor: Timo Plutschinski

 

[1] Heslam, Peter: Transforming Capitalism: Entrepreneurship and the Renewal of Thrift. Grove Books, 2010.