Wer etwas wiederherstellen will, geht davon aus, dass etwas Wertvolles da war, und möchte dieses in einen früheren oder originalen Zustand zurückversetzen. Es kommt der Verdacht auf, dass vorher «alles besser war». Vor Corona, dem Ukraine-Krieg oder anderen verheerenden Ereignissen.

 

Doch kann man Vergangenes wiederherstellen? Wir können nur im gegenwärtigen Jetzt leben, auch wenn wir Vergangenem nachträumen oder Zukünftigem entgegensehen. Deshalb empfehle ich, den Begriff «Wiederneustellung» einzuführen. Wenn wir etwas wiederherstellen, wird es im Jetzt neu. Und das kann überraschend neu und anders sein.

 

Aus jüdisch-christlicher Sicht gibt es das eine grosse Versprechen: «Siehe, ich mache alles neu!»[1]. Ist mit «neu» gemeint, dass Gott die bestehende Schöpfung erneuert oder eine völlig neue Schöpfung schafft? Diese Spannung kann ich leider nicht in wenigen Zeilen theologisch bearbeiten. Klar ist, dass diese «göttliche Wiederneustellung» unsere Schöpfung genial neu machen wird und dass wir als Christinnen und Christen mit einer nachhaltigen Lebensgestaltung heute schon dazu beitragen können.

 

Was kann eine «Wiederneustellung» für eine zerbrochene Beziehung bedeuten? Es ist ein Neuanfang, zu dem ein bewusstes Verarbeiten und Abschliessen der gescheiterten Beziehungsphase gehört. Gemeinsam wagen wir einen mutigen Start in eine neue Beziehungsphase. Eines der wichtigsten Werkzeuge wird dabei gegenseitige Vergebung sein, aus der ein neues und versöhntes Miteinander wachsen kann.

 

Was kann eine «Wiederneustellung» für die Zeit nach Corona bedeuten? Diese Zeit ehrlich zu reflektieren, wird helfen: Weshalb habe ich überraschend stark auf eine einseitige bis extreme Meinungsbildung reagiert? Weshalb kommt Angst hoch, die mich in diesem Ausmass überrascht? «Wiederneustellung» kann bedeuten, dass ich mich selbst besser kennen lerne und bereit bin, ein verändertes Verhalten einzuüben – das heisst, Krisen aus der erlernten «Wiederneustellung» zu bewerten.

 

Was kann eine «Wiederneustellung» für den Krieg in der Ukraine bedeuten? Darüber zu philosophieren, macht kaum Sinn. Kürzlich hatte ich Gelegenheiten, mit verschiedenen Ukrainern zu essen. Ihnen ein offenes Ohr zu schenken, sie in unserer Stube willkommen zu heissen, mit ihnen innezuhalten und zu beten – das sind für mich bewegende Momente, in denen wir gemeinsam unser Festhalten an der Möglichkeit einer umfassenden «Wiederneustellung» stärken.

 

Wagen wir in unterschiedlichen Momenten und Lebensphasen eine «Wiederneustellung»! Sie fragt: Wie kann ich Neues anpacken, das auf Werten beruht, die mir schon vorher wichtig waren? – In diesem Sinn lade ich Sie ein, «Neues wiederherzustellen» und hoffnungsvoll in die Zukunft zu gehen. Gemeinsam geht es besser!

 

Autor: Beat Ungricht

 

[1] Jes 65,17; Offb 21,5.