Die Geschichte der Versöhnung in Südafrika hat viele Gesichter. Die «Pilgerschaft der Gnade» ist eines davon.

 

Vom 23. bis 25. September 2022 unternahmen 60 Leiter unterschiedlicher Werke und Denominationen Südafrikas und einige ausgewählte Gäste aus dem Ausland eine Pilgerschaft der Versöhnung durch die Kap-Provinz. Unter der Leitung der Organisation Südafrikanischer Christlicher Leiter (SACLI) begannen wir unseren Weg in der Moravian Hill Kirche im 6. Distrikt Kapstadts – der ersten von den deutschen Herrnhuter Missionaren unter den einheimischen Koi gegründeten Gemeinde. Hier hatten diese in Zeiten der Apartheid unvorstellbare Ungerechtigkeit erlebt. Im Gottesdienst hier und später in der ältesten Niederländischen Reformierten Kirche (NRK) in Südafrika, der Groote Kerk im Zentrum Kapstadts, bereiteten uns die Bischöfe der beiden früher unversöhnten Kirchen auf die gemeinsame Reise zum südlichsten Punkt des Kontinents vor.

 

Die erste Station war Genadendal – der Ort, an dem der erste Herrnhuter Missionar, Georg Schmidt, 1727 seine Missionsarbeit unter dem Volk der Koi begann. Hier kamen die ersten Einheimischen des Landes zum Glauben und eine Gemeinde wurde gegründet. Die junge Missionskirche traf auf erbitterten Widerstand der NRK. Aus dem 80 Kilometer entfernten Stellenbosch hinter den Bergen beschwerte man sich, dass die kleine Kirchenglocke in Genadendal so laut läuten würde, dass sie den reformierten Gottesdienst dort störte. Georg Schmidt musste bald das Land verlassen, aber ihm folgten 20 Jahre später neue Missionare aus Herrnhut.

 

Bewegende Bekenntnisse

Nach 300 Jahren beschlossen die Kirchenleitungen, sich zu versöhnen. Der Versöhnungsgottesdienst fand in Genadendal am 24. September 2022 statt. Der leitende Bischof der NRK, Nellis Jansen van Rensburg, bat die Moravians um Vergebung für all die Gräuel, die seine Kirche den Herrnhutern angetan hatten. Er listete viele Beschlüsse seiner Kirche gegen die Koi-Kirche auf und bat immer wieder tief bewegt um Vergebung. Und dann bat er Gott um Vergebung, dass seine reformierte Kirche die Missionsarbeit unter den südafrikanischen Stämmen verhindert und das Fundament für das menschenverachtende System der Apartheid gelegt hatte. «Wir haben gegen Gott und die Menschen gesündigt», bekannte der Bischof unter Tränen. Und die Moravian Church nahm seine Entschuldigung an. «Jetzt wollen unsere Kirchen zusammen, Hand in Hand, für die Versöhnung in unserem Land arbeiten», sagte er.

 

Bewegt von dem Bekenntnis der NRK bekannte auch der Präses der Moravian Church, wie falsch die Koi-Kirche ihre leitenden Frauen behandelt hatte. Er bat Gott und die Frauen in seiner Kirche um Vergebung. So löste ein Bekenntnis das andere aus.

 

Himmel auf Erden

Versöhnt miteinander bewegte sich unsere Pilgerfahrt zum südlichsten Zipfel Afrikas, dem Kap Aghulhas. Auch hier baten wir anwesenden Europäer aus Deutschland, Holland und Grossbritannien die Völker Afrikas und Gott um Vergebung für all die Gräuel der Kolonialgeschichte. Und die Afrikaner vergaben uns und baten Gott um Segen für unsere gemeinsame Zukunft. Wir weinten gemeinsam und fielen einander in die Arme, nachdem Vergebung ausgesprochen worden war. Irgendwie schien der Himmel zu uns herabzukommen.

 

Autor: Dr. Johannes Reimer