30 Frauen aus ganz Israel und den palästinensischen Gebieten mit unterschiedlichen Gesinnungen, Religionen und Konfliktprägungen verbringen vier Tage zusammen in der jordanischen Wüste. Die christliche Organisation «Musalaha», arabisch Versöhnung, schafft Möglichkeiten, damit Menschen Gemeinsamkeiten und Zusammengehörigkeit entdecken können, die sich vorher als Feinde gesehen haben.
Wir freuten uns, wieder zu einer Reise der Versöhnung mit 30 mutigen israelischen und palästinensischen Teilnehmerinnen aufzubrechen. Die Begegnung mit diesen interessanten und unterschiedlichen Frauen aus ganz Israel und den palästinensischen Gebieten war ein grosser Segen. Die Teilnehmerschaft setzte sich aus einem bunten Mix konservativ, traditionell und modern gesinnter Frauen der drei abrahamitischen Religionen zusammen. Die einen stehen im Berufsleben in den Bereichen Psychologie, Betriebswirtschaft, Ökologie und Pädagogik und zahlreiche andere bilden die jungen Führungskräfte von morgen aus.
Nach zwei von der Pandemie geprägten Jahren konnten wir endlich wieder für vier Tage ins Wadi Rum in Jordanien zurückkehren. Dort, an diesem Ort der Ruhe aber auch der Bewährung, konnten sich die Teilnehmerinnen von den strikten Werten und Weltanschauungen, die ihr jeweiliges Umfeld im Griff haben, zunehmend freimachen.
Zuhören, diskutieren, reflektieren
Für diese erste Freizeit hatten wir beschlossen, uns auf zwei Kapitel von Musalahas «Fahrplan der Versöhnung» zu konzentrieren: «Aktives Zuhören» und «Der Konflikt». Wir organisierten viele Wanderungen, Kulturabende sowie Kamelritte und Jeep-Touren, um diese beiden Konzepte zu erkunden, gefolgt von Diskussionen und Gruppenreflexionen. Auf langen Spaziergängen lauschten wir der Stimme des Windes und dem Klang der Schritte im Sand. Dabei wurde uns deutlich, dass wir gleichzeitig Nachfolgerinnen und Leiterinnen unserer Reisegefährtinnen sind.
Der Tempowechsel und die Atmosphäre halfen uns, auf das Herz der anderen zu hören und bei jedem Gespräch vollkommen präsent zu sein. Nachdem wir einiges über achtsames Zuhören gelernt hatten, untersuchten wir das brisante Thema des Konflikts. Alle Teilnehmerinnen stellten sich unvoreingenommen der Herausforderung und fanden dabei unter den unwahrscheinlichsten Umständen Gemeinsamkeiten sowie zu einem Zusammengehörigkeitsgefühl. Und nachdem sie ihre gemeinsame Menschlichkeit wahrgenommen hatten – unter Menschen, die vorher als Feinde galten – konnten sie sich öffnen und ihre Geschichte sowie ihre Erfahrung der Prägung durch den Konflikt teilen.
Dies ist nur der erste Schritt und dennoch sind wir bereits weit gekommen. Der Tenor der Begegnung war von Ruhe, Verantwortungsbewusstsein und Vertrauen geprägt. Es war gewaltig, zu sehen, wie diese Frauen inmitten der Beschwernis der Wüste füreinander Sorge trugen. Trotz aller Schwierigkeiten sollten wir immer daran denken, einander beizustehen.
Autor: Dr. Salim Munayer