Eine aktuelle Umfrage der Schweizerischen Evangelischen Allianz SEA zeigt, dass es in knapp der Hälfte der befragten Kirchen in den letzten Jahren zu Spannungen im Zusammenhang mit der Covid-19-Pandemie gekommen ist. Viele haben diese Spannungen gut gemeistert. Trotzdem sind manchenorts nach wie vor Gräben vorhanden. Die SEA unterstützt Kirchen in der Konfliktbewältigung mit einem Leitfaden.

 

Zweieinhalb Jahre nach Ausbruch der Covid-19-Pandemie legt die zweite Umfrage der SEA den Fokus auf Konflikte und deren Aufarbeitung.[1] Es ist kein Geheimnis, dass die staatlichen Massnahmen, die Impffrage oder die Einschätzung der Gefährlichkeit des Virus auch in den hiesigen Kirchen – wie in der Gesellschaft insgesamt – Spannungen bis hin zu erheblichen Auseinandersetzungen verursacht haben. Von den 343 an der Umfrage teilnehmenden Kirchen und Gemeinden nimmt knapp die Hälfte Spannungen aufgrund der Pandemie wahr. Etliche Antworten bringen aber auch zum Ausdruck, dass Entwicklungen der letzten Jahre nicht allein auf die Pandemie zurückgeführt werden können. Spannungen seien schon vorher da gewesen, wenn auch in anderen Fragen, oder die Krise hätte nur sichtbar gemacht bzw. verstärkt, was ohnehin latent schon vorhanden gewesen sei.

 

Gut ein Viertel der Kirchen mit Spannungen nimmt deren Aufarbeitung als bereits abgeschlossen wahr. Beispielsweise wurden Versöhnungsgottesdienste durchgeführt, in Predigten darauf eingegangen oder Gesprächsforen organisiert. Dies zeigt, dass in den Kirchen viel Expertise im Umgang mit Versöhnung vorhanden ist. Zugleich sagt die Hälfte der Leitungspersonen, dass sie sich angesichts des Konflikts in ihrer Gemeinde externe Unterstützung für einen Versöhnungsprozess wünschte. Jede 20. Kirche hat zum Zeitpunkt der Umfrage bereits einen begleiteten Prozess mit externer Unterstützung begonnen.

 

Leitfaden zeigt Schritte zur Versöhnung

Die Umfrageergebnisse bestätigen, dass in nicht wenigen Kirchen ein Bedarf vorhanden ist, aufeinander zuzugehen und Schritte der Versöhnung zu tun. Versöhnung kann jedoch nicht eingefordert werden. Die Beteiligten müssen diesen Schritt wollen, denn er ist anstrengend und erfordert Demut, eigene Fehler und die eigene Begrenzung einzugestehen.

 

Konflikte können auch nie nach einem bestimmten Muster gelöst werden. Die Umstände, die Menschen und ihre Geschichte unterscheiden sich. So ist es wichtig, Spannungen und Konflikte einzeln und in ihrem Kontext anzugehen.

 

Auf Anfrage der SEA haben Marcus Weiand und Anaël Jambers einen Leitfaden erstellt.[2] Im Sinn einer Orientierungshilfe soll er Kirchen und Gemeinden darin unterstützen, entstandene Gräben zu benennen und zu überwinden. Ihr Vorschlag wurde von Pfarrerinnen und Konfliktberatern unterschiedlicher Denominationen vertieft. Aufgebaut auf das Eskalationsstufenmodell von Friedrich Glasl dient der Leitfaden mit einfachen Fragen als Instrument, um durch Selbsteinschätzung abzuklären, wie weit der Konflikt fortgeschritten ist und wann externe Hilfe angebracht ist.

 

Ziel war, durch den Leitfaden das Verständnis zu fördern, dass Konflikte in Gemeinden normal sind und dass ein proaktiver, guter Umgang möglich und wünschenswert ist.

 

Autorinnen: Anaël Jambers und Daniela Baumann

 

[1] Die Umfrage fand vom 12. Juli bis 31. August 2022 unter Pastoren, Pfarrpersonen und weiteren Leitenden aus evangelischen Landes- und Freikirchen statt. Die detaillierten Ergebnisse sind verfügbar unter https://www.each.ch/aktuellethemen/coronavirus/.

[2] Der Leitfaden ist verfügbar unter https://www.each.ch/aktuellethemen/coronavirus/.